Der Ilex (europäische Stechpalme) ist ein immergrüner, strauchartig wachsender Baum. Für Andreas Komotzki ist er mehr: Seine Formen, die mal mehr rund, mal wild, mal eckig, mal zeltartig sind, wecken Kindheitserinnerungen. Abgesehen davon, dass die gezackten Blätter das Sonnenlicht wunderbar reflektieren, metallisch silbern schimmern. Ein Effekt, der sich steigern und modellieren lässt, wenn er im Gegenlicht und in Unschärfe festgehalten wird. „Ilex“ heißt eine Ausstellung mit acht Fotoarbeiten, die der Künstler seit Sonntag im Kunstraum Eckart zeigt.
Er sei eher ein Maler, kein Fotograf, sagt der gebürtige Wuppertaler (1963), der visuelle Kommunikation in Düsseldorf studiert, einen Lehrauftrag für Fotografie an der Bergischen Universität inne, mehrere Preise erhalten hat. Schon als junger Mensch habe er gemalt, sich vor allem für die klassische Moderne interessiert. Irgendwann habe er gespürt, nicht geduldig genug für Farbe, Leinwand und Pinsel zu sein. Das spontane Arbeiten bei der Fotografie dagegen kam ihm entgegen. Die digitale Technik drückt für ihn diese impulsive Seite der Fotografie am besten aus. Sie ermöglicht rasche und viele Abbildungen eines Motivs, das er seit einigen Jahren gern in den Wäldern Wuppertals, auf Königs- oder Kaiserhöhe, in Ronsdorf oder Aprath findet. Er gehe einfach raus, mache die Augen auf, entdecke, ohne zu suchen, die Motive springen ihn an. „Ein Wahnsinn, wie viel man an diesen vier Orten sehen kann.“ Zeitaufwendiger und anstrengender sei dagegen dann die Wahl der passenden Abbildung.
Ende der 1980er, Anfang der 90er Jahre begann Komotzki mit seinen Reihungen, deren Themen er nicht nur in der Natur fand. Er schuf Reisebilder, setzte sich mit Heim- und Fernweh auseinander, mit dem Unterwegs- und Fremd-Sein, der Wahrnehmung von Umwelt. Menschen dagegen kamen ihm bisher nicht „vor die Linse“. „Mit Landschaft kann ich alles ausdrücken, was mir auf der Seele brennt. Ich will mich selbst erfreuen und diese Freude weitergeben“, sagt er. In der erzwungenen Ruhe der Coronakrise, die Stille, Muße und Konzentration förderte, intensivierte sich seine fotografische Landschaftsmalerei. Komotzkis erste Aufnahmen im Mai/Juni 2020 hielten naturgemäß die Blütezeit fest, später kam der Ilex hinzu.
Bilder im Zwischenbereich von Fotografie und Malerei
Stets nähert er sich dem Motiv, erfasst es „in latenter Unschärfe, um es in den Griff zu bekommen“, es zu „malen“. Scharfe Fotos gibt es für Komotzki genug, sie drücken nicht das aus, was er sieht, was ihn interessiert. Um dieses Malerische zu intensivieren, bringt er seine Fotos als digitalen Siebdruck auf grundiertes Holz auf, ohne Rahmen, ohne Spiegelungen, aber mit Maserungen, die durch die Behandlung des Untergrundes mit dem Pinsel herrühren. Beim nahen Betrachten der Bilder verschwimmen die Pflanzen zu abstrakten Strukturen, die wie mit dem Pinsel erschaffen wurden.
Insgesamt drei Werkgrupppen, „Nachdenken über Blüthe“, „Ilex“ und „April“ sind so entstanden. „Nachdenken über Blüthe“ wurde im Juni im Kunstraum Eckart gezeigt, wo der Arrenberger schon viele Ausstellungen bestritten hat. Wo er sich kümmert, wo er sein „zweites Atelier“ hat, ganz in der Nähe seiner Wohnung. „April“ soll im April 2024 folgen, der Name greift das Grün des Frühlings, die erste Farbe des Jahres auf. „Ilex“ widmet sich der gleichnamigen Pflanze, die auf fast allen der acht präsentierten Bilder zu sehen ist, es sei „auratisch, wie sich die Lichtschleier magnetisch auf das Motiv legen“, schwärmt der Künstler und erzählt, dass die Arbeit an den drei Werkgruppen Erinnerungen an Kindheitswahrnehmungen, an das Staunen über die Welt, ihre Schönheit, Licht und Poesie hervorbrachte. Die Schönheit der Natur mit ihrem Licht, ihrer Stille sei – in bewusstem Kontrast zur Düsternis des Alltags – ein Angebot an den Betrachter, in eine magische Welt einzutauchen.
Das gilt auch für sein Jahresprojekt „Ein Jahr in Landschaft, Licht und Farbe“, in das die drei Werkreihen münden. Im Januar hat der Fotokünstler losgelegt, macht jeden Tag ein Foto, wählt eines pro Woche aus, das er zusammen mit 51 weiteren Wochenfotos Ende 2024 kompakt präsentieren will, aktuell im Netz schon auszugsweise zeigt. Nachdem er selbst die karge Zeit des Jahresanfangs gemeistert hat, freut er sich gerade auf den farbigen Herbst. Er merkt, dass sich das Projekt verändert, erneuert, sein eigenes Verständnis fördert. „Ilex“ mit seinen acht 75 mal 50 und 120 mal 180 Zentimeter großen Bildern gibt einen Eindruck davon. Die bodentiefen Fenster des White Cube Eckart erlauben schon von draußen einen Vorgeschmack.

Schreibe einen Kommentar